Ein Fest für die Sinne - von Zeitmaschinen und Lichterketten für den Frieden
Zurück in die Vergangenheit
Es ist der erste kalte Tag im November. Als ich das Fenster öffne und die kalte Luft einatme, erfasst mich eine Welle von Gefühlen und Erinnerungen und wirft mich zurück in die Adventszeit meiner Kindheit. Ich spüre die Spannung und Vorfreude und bin plötzlich mittendrin: Türchen am Adventskalender öffnen, Plätzchen backen und essen, Weihnachtslieder proben, auf den Weihnachtsmarkt gehen und mir zig mal am Tag vorstellen, wie das Christkind meinen größten Weihnachtswunsch erfüllt. Wie schön das doch immer war! Ach wenn ich doch nur nochmal zurück könnte...
Meine Zeitreise dauert nur einen kurzen Moment, in dem mich die Sehnsucht nach der Vergangenheit überkommt. Sehnsucht nach der Kindheit, die ich sonst nicht verspüre, weil ich eigentlich ganz froh bin, erwachsen zu sein. Wo kommt all das auf einmal her? Warum übt schon das erste kleine Anzeichen von Weihnachten und Advent so eine starke Wirkung auf mich aus? Mit Ostern geht mir das nicht so und mit meinem Geburtstag auch nicht, obwohl es da auch Geschenke gibt.
Kennen Sie solche Weihnachts-Nostalgie-Momente? Warum zieht uns Weihnachten so in seinen Bann?
Ein Fest für die Sinne
Keine Zeit des Jahres nimmt unsere Sinne so sehr ein wie die Advents- und Weihnachtszeit. Kein anderes Fest bietet so eine dichte Kulisse aus Gerüchen, Klängen, Gewürzen, Lichtern und Gefühlen. Die Adventszeit hat ihre eigenen Gerüche, sie duftet nach Zimt, Glühwein, Räucherkerzen, Tannen und dem Rauch ausgeblasener Kerzen. Sie bringt ihre eigenen Geschmacksnoten mit und schmeckt nach frischen Lebkuchen, Pfeffernüssen, Marzipan und Mandarinen. Advent und Weihnachten haben ihre eigene Musik und Geräuschkulisse, sie klingen nach Advents- und Weihnachtsliedern und nach dem Glöckchen, das das Christkind ankündigt. Und natürlich ist Weihnachten auch ein Fest für die Augen: drinnen schmücken Adventskränze, Engel und strahlende Weihnachtsbäume die Häuser. Draußen durchbrechen Lichterketten die Dunkelheit und an vielen Fenstern leuchten Schwippbögen und anderer Weihnachtsschmuck.
Sinneseindrücke als Gedächtnisstützen
Wenn man sich an etwas erinnern will, dann muss man es möglichst oft wiederholen. Außerdem weiß jeder, der schon mal versucht hat, sein Gedächtnis zu verbessern, dass man etwas, das man sich besonders gut merken will, mit möglichst vielen anderen Begriffen und Konzepten verbinden soll. Deshalb hilft es auch, Eselsbrücken zu bauen. Besonders gut funktioniert das, wenn man das Gelernte mit bestimmten Emotionen verbindet, wie Interesse oder Neugier, oder mit einer anderen Sinneswahrnehmung wie einem bestimmten Geruch oder einer bestimmten Umgebung. All diese assoziierten Begriffe, Emotionen und Sinneseindrücke helfen später, das Gelernte leichter abzurufen.¹ Ein berühmtes Gedächtnis-Experiment zeigte zum Beispiel, dass Taucher Inhalte, die sie unter Wasser gelernt hatten, unter Wasser besser abrufen konnten als an Land.
Zeitmaschinen
Wenn man es so betrachtet, dann ist es nicht verwunderlich, dass sich die Weihnachtszeit mit ihrem Arsenal an Sinneseindrücken auf allen Kanälen, die sich von frühester Kindheit an jährlich wiederholen, so in unser Gedächtnis eingebrannt hat und so eine starke Wirkung auf uns haben kann. Ein bestimmter Geruch oder eine Melodie genügen, um diese Weihnachts-Erinnerungen samt Gefühlen Jahrzehnte später in uns wachzurufen und uns zurück in die Vergangenheit zu transportieren.
Last Christmas - Zu viel des Guten
Der ganze Weihnachtstrubel kann aber auch zu viel sein, selbst wenn man ihn eigentlich mag. Blinkelichter, Duftkerzen und Weihnachtsgedudel überall. Reizüberflutung, der man schwer entkommen kann. Düfte und Lichter kann man ja noch ganz gut ignorieren, aber bei nerviger Musik wird es schwierig. Das 5. Mal (oder auch das 1. Mal) “Last Christmas” im Supermarkt oder “Stille Nacht” gesungen von den Schlümpfen am Kinderkarussell auf dem Weihnachtsmarkt kann schwer zu ertragen sein.
Ein Weg, nicht von schlechter Weihnachtsmusik genervt zu sein, ist einfach mitzusingen! Beim Singen fällt es schwer, den angespannten Gesichtsausdruck und die angespannte Körperhaltung beizubehalten, die man annimmt, wenn man genervt und gestresst ist. ² Stattdessen verändert sich die Atmung, die Haltung wird aufrecht und der Gesichtsausdruck ausdrucksvoller. Alles Dinge, die das Gehirn mit positiven Gefühlen und Erinnerungen assoziiert. Schon nach ein paar Tönen fühlt man sich besser!
Aber zurück zu den schöneren Seiten der (Vor-)Weihnachtszeit: Weihnachtsdeko und Friedenslichter!
Weihnachtsdeko als Stimmungsaufheller
Auch wenn es für jede Jahreszeit und jedes Fest irgendeine Art von Deko gibt, so ist die Weihnachtsdekoration doch die stimmungsvollste und beeindruckendste. (Finde ich zumindest.) Sie bringt Licht ins dunkle, kalte Grau des Winters und macht es drinnen noch gemütlicher.
Eine Studie konnte zeigen, dass Weihnachtsdekoration tatsächlich das Wohlbefinden fördert. Personen, die in einem Raum mit Weihnachtsdekoration befragt wurden, hatten bessere Laune und waren fröhlicher als die, die in einem Raum ohne Weihnachtsdekoration befragt wurden. (Das galt allerdings nur für Menschen, die Weihnachten feiern). ³
Schön, dass Weihnachtsdeko die Laune verbessert, aber sie kann noch mehr: Wer sein Haus festlich schmückt, wird als freundlicher und geselliger wahrgenommen. Das legt zumindest eine Studie nahe, in der die Teilnehmenden die Bewohner von Häusern mit und ohne Weihnachtsschmuck einschätzen sollten. 4
Lichterketten als Friedenslicht
Weihnachtsschmuck hat aber auch noch eine tiefere Bedeutung. Die Lichter, die Engel, das Kind in der Krippe sind alles Symbole für die Botschaft von Weihnachten: Friede den Menschen! Wie wirkungsvoll diese Symbolik ist, zeigt die Aktion einer Friedensinitiative, die 2014 im von Bürgerkriegen gebeutelten Kolumbien stattfand und Guerilla-Krieger dazu bringen wollte, die Guerilla zu verlassen und heimzukehren. Für die Aktion in der Adventszeit schmückten die Mitglieder der Friedensinitiative 9 Bäume, die an strategisch wichtigen Punkten im Dschungel standen, mit Lichterketten und stellten Schilder mit der Botschaft “Wenn Weihnachten in den Dschungel kommen kann, dann kannst du nach Hause kommen” daneben. Die Lichterketten mit den Botschaften brachten 331 Guerrillakämpfer dazu, sich vom Krieg abzuwenden und zu ihrer Familie zurückzukehren. 5
Eine beSinnliche Adventszeit
Die Adventszeit stürmt mit voller Kraft auf unsere Sinne ein. Je mehr man sich dessen bewusst ist, desto mehr kann man sich das auch zunutze machen und die positiven Dinge verstärken und sich vor Reizüberflutung schützen.
Düfte als Zeitmaschine und Mini-Auszeit:
Achten Sie in den nächsten Wochen darauf, welche der weihnachtlichen Gerüche und Düfte positive Erinnerungen in Ihnen wecken und Sie in Nostalgie schwelgen lassen. Vielleicht finden Sie ja einen Weg, sich mit diesen Düften zu umgeben, zum Beispiel durch Duftkerzen, Tee oder mit Tannenzweigen und Gestecken. Wenn Sie sich die Düfte nicht nach Hause holen können, suchen Sie die Orte bewusst auf, an denen Sie auftreten und schnuppern Sie ein bisschen Nostalgie. Ich bin heute ein paar Minuten im Regen stehen geblieben, weil mich der Geruch und das Gefühl der feuchten Regenluft an Deutschland erinnern. Manchmal kann es sogar Regen sein, der schöne Erinnerungen weckt.
Kramen Sie die Weihnachtsengel hervor, hängen Sie ein paar Lichterketten auf oder stellen Sie den Adventskranz auf. Ein bisschen Advents- und Weihnachtsdeko hebt die Stimmung und sorgt nebenbei dafür, dass die Nachbarn Sie sympathisch finden.
Wenn Sie (schlechte) Weihnachtsmusik nervt, singen Sie einfach mit! Dann fühlen Sie sich gleich besser, die Musik nervt nicht mehr und vielleicht finden Sie sogar jemanden, der mitsingt.
Sie können nicht singen? Umso besser, dann haben Sie und die Anderen wenigstens etwas zu lachen oder Ihr Gesang führt vielleicht dazu, dass die Musik ausgemacht oder etwas anderes gespielt wird.
Das war’s für diesen ersten Adventsbrief. Eine schöne erste Adventswoche!
Verweise