Probleme sich von Facebook, Netflix und Co. loszureißen? - Stoppsignale können helfen!
“Oh Mann, ich muss dringend aufhören, so viel Zeit auf Facebook zu verbringen!”,
“Mist, ich hab auf Pinterest schon wieder die Zeit aus den Augen verloren und jetzt ist eine halbe Stunde vorbei” oder “Gähn, warum hab ich gestern noch die dritte Folge Magicians geschaut, statt ins Bett zu gehen?”
Sätze wie diese höre ich fast täglich, der letzte stammt meistens von mir selbst. Aber ich scheine nicht die einzige Person zu sein, die mit ihrer mangelnden Willensstärke und Selbstkontrolle hadert. Das Problem sich loszureißen und rechtzeitig mit etwas aufzuhören, gerade wenn es um das Surfen im Internet, Social Media, Netflix oder Youtube geht, beschäftigt Viele. Oder warum lesen Sie diesen Artikel?
Liegt es nur an mangelnder Selbstkontrolle?
Bisher dachte ich, es läge an mir und meiner geringen Selbstkontrolle, dass ich mich regelmäßig im Internet verliere und nur schwer von Netflix loskomme. Dann habe ich das Buch “Irresistible” von Adam Alter gelesen, in dem er beschreibt, wie uns moderne Technologien in ihren Bann ziehen und süchtig machen. ¹ Beim Lesen bin ich über eine Idee gestolpert, die mich dazu gebracht hat, das Problem mit anderen Augen zu sehen: Dass es uns so schwer fällt, rechtzeitig mit Social Media, Netflix und Online-Spielen aufzuhören, liegt nicht (nur) an mangelnder Selbstkontrolle, sondern eher daran, dass es unsere Selbstkontrolle verdammt schwer hat. Sie muss uns nicht nur dazu bringen, dass wir uns von der spannenden Internetwelt losreißen, sondern muss auch noch den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören finden. Es gibt keine Signale, die uns darauf aufmerksam machen, wann es sinnvoll ist, Schluss zu machen, oder die uns zumindest einen Ausstiegspunkt bieten. Stattdessen wird ständig etwas Neues angezeigt, begonnen oder empfohlen, dass ja keine Pausen entstehen.
Warum ich manchmal den Ladebalken vermisse
Früher war das anders: bei Fernsehserien gab es nur eine Folge pro Woche und niemand wusste, was binge watching war. Das Internet war so langsam und umständlich zu benutzen, dass man sich nicht darin verlieren konnte, weil ständig der Ladebalken dazwischen kam.
Heute ist dagegen alles immer und in Sekundenschnelle verfügbar. Bei Netflix hat man alle Folgen seiner Lieblingsserie auf einmal zur Verfügung. Ist eine Folge fertig, fängt schon die nächste an, wie ein sehr langer, richtig guter Film, bei dem man im Laufe der Stunden immer tiefer eintaucht und immer vertrauter mit den Charakteren wird. Verdammt schwer, da einfach abzuschalten und ins Bett zu gehen!
Bei Facebook, Twitter und Instagram gibt es einen Newsfeed, der zeigt, was die Anderen gemacht haben, während man offline war, und der sich, noch während man liest, mit neuen Beiträgen füllt. Es gibt immer etwas Neues zu entdecken und tun: Neue Posts und Bilder zu betrachten, Kommentare zu lesen oder zu schreiben, Links, auf die man klicken kann, und Freunde, die online sind. Da verliert man sich leicht und aus kurz Facebook checken wird schnell eine Stunde oder mehr. Und natürlich gibt es nicht nur Facebook, sondern auch noch Instagram, Twitter, Youtube, Pinterest...
Ein endloser Strom aus Neuigkeiten und Möglichkeiten ohne Unterbrechungen oder Pausen
Wenn wir nicht von selbst aufhören oder unterbrechen, passiert es nicht.
Wenn es keine Signale von Außen gibt, die uns zeigen, wann es Zeit ist, aufzuhören, müssen wir eben unsere eigenen Stoppsignale setzen. Tun wir das, dann kann sich unsere Selbstkontrolle ganz darauf ausrichten, uns zum Aufhören zu bringen, und muss nicht auch noch den richtigen Zeitpunkt dafür finden.
Ja, ich weiß, heutzutage muss man alles selbst machen! Glücklicherweise gibt Adam Alter in Irresistible ein paar konkrete Tipps, die dabei helfen, Stoppsignale zu setzen und zu erkennen, wann es ein guter Zeitpunkt ist, aufzuhören:
Stoppsignale für Social Media und das Internet allgemein
Als ich über das Einführen von Stoppsignalen gelesen habe, ist mir aufgefallen, dass ich schon vor Monaten meine eigene Methode dafür entwickelt hatte, mir nur nicht dessen bewusst war.
Es war eigentlich eine Erziehungsmethode, die ich zuerst bei meinem Sohn eingesetzt und dann für mich selbst übernommen habe: Wann immer ich Sorge habe, die Zeit aus den Augen zu verlieren, stelle ich einen Timer!
Wunderwaffe Timer
Anfangs habe ich nur einen Wecker gestellt, der klingelte, wenn wir das Haus verlassen mussten, um pünktlich zu sein. Mittlerweile benutze ich ihn auch, wenn ich im Internet recherchiere, lese, Netflix schaue oder Social Media nutze. Wenn ich mich zum Beispiel bei Pinterest informieren will, wie man am besten Legos aufbewahrt (Wo ist Marie Kondo, wenn man sie wirklich braucht?), stelle ich mir vorher einen Timer für 10 Minuten. In 10 Minuten gibt es einiges an Inspiration. Klingelt der Timer, muss ich ihn erstmal ausschalten und bin dadurch zu einer Unterbrechung gezwungen. Das hilft mir meistens, kurz innezuhalten und zu entscheiden, ob ich genug gefunden habe oder ob ich mir noch einen zweiten Timer stelle.
Der Timer hilft mir auch, insgesamt ein besseres Gefühl für die Zeit zu entwickeln. Oft bin ich erstaunt, wie viel ich in 5 oder 10 Minuten erreichen kann.
Statt jedes Mal einen Timer zu stellen, kann man das auch einer App überlassen. Adam Alter schlägt die App WasteNoTime vor, bei der man ein tägliches Zeitkontingent für Social Media und einzelne Websites festlegen kann.
Wie reiße ich mich aber von meiner Lieblingsserie los?
Netflix ist allerdings nochmal ein ganz anderes Problem. Einen Timer zu stellen, kann hier schon hilfreich sein und bringt mich tatsächlich ab und an zum Abschalten. Oft genug ignoriere ich den Timer aber auch, weil ich unbedingt wissen muss, wie es weitergeht.
Cliffhanger entschärfen
Keine Sorge, hier hat Adam Alter einen richtig guten Tipp! Das Problem bei Serien ist, dass die Folgen meist ein offenes Ende haben und mit einem Cliffhanger enden. Die Folgen hören nicht damit auf, dass eine Geschichte fertig erzählt ist und alle glücklich und zufrieden sind. Das passiert auch, aber meist kurz vor Ende einer Folge und ganz am Ende wird dann eine ganz neue Handlung eingeleitet.
Das sieht ungefähr so aus: Alle feiern das Happy End und gehen glücklich nach Hause. Auf dem Heimweg kommt einer der Charaktere von der Straße ab. Dann ist die Folge vorbei und es ist nicht klar, ob er überlebt. Als Zuschauer will, muss, man dann natürlich wissen, was passiert, und wirft alle Pläne über Bord, jetzt abzuschalten.
Von Cliffhanger zu Cliffhanger statt von Anfang bis Ende
Adam Alter empfiehlt deshalb, sich nicht nach Beginn und Ende einer Folge zu richten, sondern nach den Cliffhangern. Bei den meisten Serien folgen sie nämlich einem bestimmten Muster: Der Cliffhanger wird in den letzten Minuten der Folge eingeführt und in den ersten Minuten der nächsten Folge aufgelöst. Schaut man jede Folge von Anfang bis Ende, dann steht man vor der Herausforderung, abzuschalten, wenn es am Spannendsten ist. Wenn die Handlung dagegen gerade einen Endpunkt erreicht hat und keine Fragen mehr offen sind, ist es wesentlich leichter, abzuschalten. Statt sich vorzunehmen nach einer Folge abzuschalten, sollte man besser ausschalten, bevor der Cliffhanger am Ende der Folge eingeführt wird oder nachdem er am Anfang der nächsten Folge aufgelöst wird. Wenn man ein bisschen darauf achtet, hat man das schnell raus und kann dann die Cliffhanger als Stoppsignale nutzen.
Nutzen Sie Stoppsignale, um sicherzugehen, dass Sie rechtzeitig mit etwas aufhören? Falls nicht, probieren Sie’s mal! Der Aufwand ist gering und kann sich wirklich lohnen!
Noch etwas Zeit bevor Ihr Timer piept? Wie wär’s mit diesem Beitrag:
Falls Sie sich beim Lesen des Beitrags gedacht haben, das ist alles schön und gut, aber ich hab eher ein Problem damit anzufangen, dann könnte Sie das hier interessieren:
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Verweise
[1] Adam Alters Buch gibt es auch auf Deutsch: Unwiderstehlich: Der Aufstieg suchterzeugender Technologien und das Geschäft mit unserer Abhängigkeit
Foto von Will Porada auf Unsplash