Danke zu sagen ist gar nicht so einfach - Warum wir manchmal undankbar wirken, obwohl wir es gar nicht sind
Morgen ist es endlich soweit! Der Weihnachtsbaum erstrahlt im schönsten Glanz. “Stille Nacht” und “Oh du fröhliche”, die weihnachtlichsten Weihnachtslieder dürfen endlich gespielt und gesungen werden. Jesus ist geboren, das Christkind kommt und ja, es ist Bescherung. Die Geschenke dürfen ausgepackt werden!
Die Erwartungen sind hoch! Nicht nur die Erwartungen darauf, was in den eigenen Geschenken drin sein wird, sondern auch darauf, wie die anderen wohl reagieren, wenn sie ihre Geschenke auspacken. Werden sie sich freuen? Was wird Opa wohl sagen? Gefallen ihm die selbstgestrickten Socken, die ich mit seinen Initialen bestickt habe?
Jedes Weihnachten habe ich ein paar Geschenke, bei denen ich besonders gespannt bin, wie sie ankommen werden. Und die Spannung ist gerechtfertigt, denn manchmal werde ich auch enttäuscht. Manchmal bekomme ich für das Geschenk, auf das ich so stolz war, das ich für die allerbeste Idee gehalten hatte, nur ein nüchternes: “Danke, das wäre doch nicht nötig gewesen!” So war es auch mit Opas Socken. Ich hatte mir eine feste Umarmung, überschwängliche Dankesbekundungen und bestenfalls ein paar Tränen der Rührung vorgestellt, aber stattdessen: “Das wäre doch nicht nötig gewesen!” Echt jetzt?
Danke zu sagen ist gar nicht so einfach
Nachdem ich mich von meiner ersten Enttäuschung erholt hatte und wieder bereit war für etwas Einsicht und Empathie, fielen mir Situationen ein, in denen mich jemand für undankbar hielt oder von meiner Reaktion auf ein Geschenk enttäuscht war. Und oft genug wollte ich meine Dankbarkeit nochmal richtig ausdrücken, habe es dann aber doch nicht getan. Richtig Danke zu sagen, scheint wohl tatsächlich nicht so einfach zu sein.
DIe beiden Wissenschaftler Amit Kumar und Nicholas Epley haben sich gefragt, wo die Hindernisse liegen, wenn es darum geht, Dankbarkeit zu zeigen und auszudrücken. Sie haben zwei Hürden gefunden, die uns dabei in die Quere kommen können ¹ :
1. Hürde: Der Fluch des Wissens - “Die wissen, dass ich dankbar bin! Das ist doch offensichtlich! “
Vielleicht ist Opas Dank nur deshalb so nüchtern ausgefallen, weil er dachte, ich wüsste auch so, wie dankbar er ist.
Weil unsere Dankbarkeit so offensichtlich für uns ist, gehen wir davon aus, dass sie für die andere Person auch offensichtlich ist. Dieses Phänomen wird in der Psychologie als Fluch des Wissens bezeichnet. Wenn wir etwas wissen, fällt es uns schwer, uns vorzustellen, dass andere Menschen das nicht wissen. Für uns ist es offensichtlich, dass wir uns freuen und dankbar sind, deshalb halten wir es nicht für notwendig unsere Freude noch einmal ausdrücklich zu äußern oder zu zeigen. Für unser Gegenüber ist unsere Freude und Dankbarkeit aber alles andere als offensichtlich, und er oder sie bekommt vielleicht gar nichts davon mit.
“Das wäre doch nicht nötig gewesen!”
Und wo wir schon dabei sind, “Das wäre doch nicht nötig gewesen!” ist auch so ein Auswuchs des Fluchs des Wissens. Wenn wir sagen, “Das wäre doch nicht nötig gewesen!”, meinen wir eigentlich “Es wäre doch nicht nötig gewesen, dass du mir was schenkst. Ich hab’s gerne gemacht und erwarte nichts dafür.” Wir wollen unsere Bescheidenheit ausdrücken und sagen, dass wir keine Gegenleistung erwartet hätten. Wirklich klar ist das aber nicht, denn “Das wäre doch nicht nötig gewesen” könnte genauso gut bedeuten: “Das war eigentlich unnötig! Du hast dir die Mühe umsonst gemacht!” Trotz aller Bescheidenheit, die hinter diesem Satz steht, wünschte ich, wir würden ihn einfach streichen. Ist es nicht viel schöner, zu hören: “Danke! Ich freu mich sehr darüber!” Probieren Sie’s mal! Weihnachten bietet schließlich genug Gelegenheiten.
2. Hürde: “Ich weiß nicht, wie ich’s sagen soll!”
Die zweite Hürde beim Danke sagen, ist die Sorge, nicht die richtigen Worte zu finden. Was soll ich überhaupt sagen?
Es fällt uns oft schwer, unsere Emotionen auszudrücken. Wir suchen nach den richtigen Worten, finden sie nicht, bleiben stecken oder verhaspeln uns. Das alles ist uns furchtbar unangenehm. Gleichzeitig nehmen wir an, dass es für den Empfänger unseres Dankesgestammels genauso unangenehm ist, uns zuzuhören. Bevor wir uns in so eine peinliche Situation bringen und nicht wissen, was wir sagen sollen, lassen wir es lieber ganz und behalten unsere Dankbarkeit für uns.
Aber wie real sind diese Hürden oder existieren sie nur in unserem Kopf? Wie offensichtlich ist unsere Dankbarkeit wirklich? Und finden es die Empfänger unseres Dankes tatsächlich so schlimm, wenn wir unsere Dankbarkeit etwas unbeholfen ausdrücken?
Diese beiden Gedanken: “Ach, die wissen doch, dass ich dankbar bin!” und “Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich blamier mich doch nur!” sind mir nur zu vertraut und sie haben mich schon oft genug davon abgehalten, meine Dankbarkeit auszudrücken. Ich bin allerdings noch nie auf die Idee gekommen, sie zu hinterfragen. Glücklicherweise haben Kumar und Epley genau das in einer Studienreihe gemacht.
In fünf Studien haben sie ihre Teilnehmer gebeten, Dankesbriefe an Menschen zu schreiben, die einen positiven Einfluss auf ihr Leben hatten. Anschließend sollten die Teilnehmer abschätzen, wie überrascht, glücklich und peinlich berührt die Empfänger des Briefs sein würden. Um zu überprüfen, wie zutreffend die Einschätzungen der Teilnehmer waren, haben Kumar und Epley anschließend die Empfänger der Dankesbriefe nach ihrer Reaktion gefragt.
Die Ergebnisse der Studien zeigten deutlich, dass die beiden Hürden, die uns davon abhalten unseren Dank auszudrücken nur in unseren Köpfen existieren und dass wir beim Danken ruhig direkter und weniger zögerlich sein können:
Die Empfänger der Dankesbriefe ahnten vorher nicht, wie dankbar die Briefschreiber waren und wofür sie dankbar waren. Sie waren wesentlich überraschter, als es die Briefschreiber erwartet hatten. ⇒ Dankbarkeit ist also keineswegs offensichtlich! Wir sollten nicht davon ausgehen, dass unsere Mitmenschen wissen, dass wir ihnen dankbar sind und wofür wir dankbar sind.
Die Empfänger fanden die Briefe überhaupt nicht peinlich. Außerdem hielten sie die Briefschreiber für wesentlich kompetenter als diese sich selbst eingeschätzt hatten. Die Angst, dass der Versuch, seine Dankbarkeit auszudrücken, unbeholfen wirkt und dem Empfänger unangenehm sein könnte, scheint also unbegründet zu sein.
Und das wichtigste Ergebnis: Die Empfänger der Dankesbriefe freuten sich wesentlich mehr als die Schreiber es erwartet hatten. Es lohnt sich also, seine Dankbarkeit mitzuteilen!
Wie Kumar und Epleys Studien zeigen, scheinen wir nicht besonders gut darin zu sein, vorherzusagen, wie unsere Mitmenschen unsere Dankbarkeit aufnehmen. Wir überschätzen die negativen Punkte und unterschätzen das Positive. Das sollten wir im Hinterkopf behalten, wenn wir mal wieder enttäuscht sind, weil wir nicht den Dank bekommen, den wir uns erhofft hatten.
Wenn Sie morgen Geschenke auspacken, überlegen Sie gar nicht erst, ob, wann und wie Sie Danke sagen sollen, tun Sie es einfach! Es ist nicht wichtig, ob Sie die richtigen Worte finden. Es ist tatsächlich die Geste, die in Erinnerung bleibt und glücklich macht.
Einen schönen 4. Advent und frohe Weihnachten!
Verweise
[1] Kumar, A., & Epley, N. (2018). Undervaluing Gratitude: Expressers Misunderstand the Consequences of Showing Appreciation. Psychological Science, 29(9), 1423–1435. https://doi.org/10.1177/0956797618772506 https://faculty.chicagobooth.edu/nicholas.epley/KumarEpleyGratitude.pdf